Was noch über das Landleben im Heimatbuch Dohmann von 1992 steht

Herbert Dohmann stammt von einem Bauernhof in Siddessen. Nach dem Lehramtsstudium war er fast vierzig Jahre als Lehrer und Schulleiter (Realschule in Peckelsheim) in der Region tätig. Er war ein guter Beobachter und hatte großes Wissen über die historische Arbeits- und Lebenswelt auf dem Dorf.


Seine Forschungen über Geschichte, Heimatpflege, Kunstgeschichte und die plattdeutsche Sprache kamen in Vorträgen und Publikationen zum Ausdruck.
Vgl. Herbert Dohmann (1922-2016) in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Dohmann

 

Unter dem Titel „Alltagsleben zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ beschreit Herbert Dohmann (S. 120-32) einige Begebenheiten, wie sie zum Dorfleben gehörten. Einleitend schreibt er, dass sich so viel verändert hat im Dorf, dass man es 50-60 Jahre später kaum glauben mag.


Die täglichen Grundgeräusche aus den Ställen, bei Treiben auf der Dorfstraße und von den Hühnern gehörten zum Alltag und wurden gar nicht wahrgneommen. Im Sommer das Sensendengeln und der Dreschkasten. Die schweren Pferde mit den Ackerwagen kannte man nicht überhören.


Nach der Ernte wurde es wieder ruhiger und einige fliegende Händler kamen ins Dorf:

  • Der Mann mit der großen Rösterei. Die Leute brachten säckeweise Gerste und ließen sie zu Kaffee brauen
    .
  • Alle Jahre kam ein Wanderzirkus mit Affen und dem Clown. Abend war die Vorstellung

  • Der Scherenschleifer holte Scheren und Messer aus den Häusern. Um sie am mit den Füßen angetriebenen Schleifstein zu schärfen

  • Mit dem Fahrrad kamen fliegende Händler mit Schürzen. Strümpfe und Kurzwaren

  • Der Mann mit der Kiepe brachte Porzellan

  • Der Pottwagen kam einmal im Jahr und brachte Töpfe, Eimer, Wannen. Im Wagen schlief die Familie

  • Der Schirmflicker kam zweimal im Jahr

  • Der Gemeindediener machte mit Glocke und den amtlichen Bekanntmachungen die Runde

Abend saß man noch eine zeitlang vor den Häusern.


Weitere Abläufe waren

  • Das Hausschlachten zweimal jährlich

  • Der Erntehahn

  • Das Essen auf dem Felde

  • Die Aufgaben der Kinder, täglich und in den Kartoffelferien


Zur Infrastruktur

Die Straßen waren meist in keinem guten Zustand und verschmutzt. Das Plumpsklo hatte keine Wasserspülung und stank. Statt Badezimmer gab es nur Wasserschüsseln und am Samstag die Zinkbadewanne. Die Landstraßen waren noch in ganz schlechtem Zustand. Erst mit den Preußen wurde das Netz der Kreis- und Provinzialstaßen systematisch verbessert.  
Das erste Telefon war mit 1913 relativ spät im Dorf (in Frohnhausen bereits 1892). Elektrizität für alle kam erst um 1920 ins Haus und löste die Petroleumlampe ab. Die zentrale Wasserleitung und Kanalisation wurde um 1960 gebaut. 

Gesellschaftliche Ordnung

Die Größe der Ackerfläche der Familie war ausschlaggebend für die soziale Rangfolge. Nach der Anzahl der Gespane waren es:

    • 2-Spänner für 100-120 Morgen

    • 3-6 Spänner auf den ganz großen Höfen

    • Die Ösker ackerten mit Kühen oder Ochsen

    • Die kleinen Leute hatten Ziegen und einen Ackersmann, der ihr Land bearbeitete

Die Tiere gaben den täglichen Arbeitsumfang vor und die Mittagspause.

Die Männer der Haushalte ohne Hof arbeiteten als Tagelöhner im Wald oder auf den Gütern


Auch beim Schützenfest wurde lange eine strenge Tischordnung nach der sozialen Stellung gepflegt (und die junge Frau des Hofnachfolgers musste vom entsprechenden Tisch kommen).  


Hier eine Anmerkung zu der Anspannung der Zugtiere

Zwei Pferde laufen nebeneinander. Die Zugkette ist an der beweglichen Sprengwaage (Balken) befestigt. Sie gleicht die Schulterbewegung des Pferdes aus. Dazu die ausgleichende Sprengwaage dahinter beim Zweispänner.

Das Arbeitsgeschirr besteht aus dem Spitzkummet und den Lederriemen für Kopf und Bauch.

Für Zugkühe und Ochsen gab es das starre Joch, das die die Kopffreiheit eng begrenzte.


Von Lehrer Josef Hartmann (Lehrer in Siddessesn 1911-1930) stammen die folgenden Beschreibungen.


Zum Hausbau (S. 74)

„Wenn jemand früher ein Haus baute, so wurde ihm sämtliches Baumaterial von den übrigen Dorfbewohnern kostenlos gefahren. Am Richttage (Hausbürge) halfen alle männlichen Personen des Dorfes mit. - Nach getaner Arbeit gab es ein gemeinschaftliches Festessen, vom Bauherrn gestiftet. Darauf folgte ein Festzug durchs Dorf, an der Spitze ein Bürger mit Besen in der Hand. Dahinter ener mit einer Holzlatte, darauf die Musikkapelle, die sechs Kranzjungfrauen, dann die Maurer, Zimmerleute, Helfer und das ganze Dorf. Mit Reigen und Tänzen auf dem Anger oder unter der Dorflinde schloss die Feier.“

Den heute alten Zeitgenossen ist noch der Ruf „Holz - komm“ im Ohr. Das war wohl der Ruf für den Arbeitstakt beim Aufstellen oder gemeinsamen Bewegen der schweren Balken.


Vom einfachen Leben um 1900

Auch die Stoffe für Schürzen, Hemden wurden in den Haushalten selbst hergestellt. Nach der langen Bearbeitung des Flachses wurde das Garn gesponnen, diese Woche bei dieser Spinnerin, die folgende Woche bei einer anderen. Während die Spindel den gedrehten Faden wickelte wurde gesungen und erzählt. Erzählgeschichten, auch Sagen wurden mündlich weitergegeben.

Die Leute waren äußerst anspruchslos. Jeder war sein eigenen Schneider, Schied, Handwerker und Schuster.

Die modernen Verkehrsmittel Fahrrad, Auto, Eisenbahn kamen erst um 1900 auf.

Volkssitten, Gemeinschaftsfeste und kirchliche Feiertage spielten eine große Rolle.

Umbau Dorfkern 1834 und 1961

Die Öse wird 1834 in einem Kamal mitten durch das Dorf geleitet. Sie verlief vorher schräg Richtung Wasserhof und dann durch die Wiese in die Nethe. Es waren große Veränderungen und Brückenbau notwendig.

Die um 1831 ausgebaute Provinzialstraße von Brakel nach Warburg wurde 1961 zur Bundesstraße B 252 ausgebaut. Bei der begleitenden Flurbereinigung wurde der Ortskern durch die Aussiedlung von Höfen völlig verändert. 11 Häuser wurden abgerissen: Dreker, Geilhaar, Güntermann, Reitemeier, Künneke, Scheele, Bröker, Ritzenhoff, Rempe, Rochell J. und Hub.

Kanalisation, Kläranlage und zentrale Wasserleitung (1964) veränderten das Dorf weiter. 1978 Die neue

Ösehalle bildet nun mit Kirche und Ehrenmal mit kleiner Grünanlage den neuen Dorfmittelpunkt