Der Lein (Linum usitatissimum) ist eine der ältesten Kulturpflanzen. Als Öllein zur Ölgewinnung und als Faserlein oder Flachs für die Fasergewinnung wurde er genutzt. Der Flachsanbau diente hier der Gewinnung von Pflanzenfasern und der Herstellung von Grobfaser und feinem Leinen (wertvolles Leintuch).  

In der erste Hälte des 19. Jahrhunderts gab es den Schwerpunkt Leinenanbaus und der Verarbeitung in Ostwestfalen, namentlich im Ravensberger Land um Bielefeld. In der Stadt Höxter wurden damals 25 ha angebaut (vgl. Würzburger 2021, Das Fabrikwesen in Höxter im 19. Jh.). Hier ist auch die Rede von einer Leinen-Legge, einem Ort, an dem die produzierten Stoffe begutachtet werden konnten. Sie wurde erst 1875 wieder aufgehoben. 

 

Auch im 20. Jahrhundert, im Rahmen der Autarkiebestrebungen des Deutschen Reiches, spielte der Flachs eine nicht unbedeutende Rolle. Die Anbaufläche erreichte reichsweit über 100.000 ha im Jahr 1937. Zur Verarbeitung der Faser wurden wieder eigene Flachswerke gebaut. Auch im Kreis Höxter gab es ansehnliche Anbauflächen von Flachs und in in jeder Gemeinde wurden einzelne Betriebe dazu ausgewählt/verpflichtet.  

Über den alten Flachsanbau in Brakel ist einiges bekannt

 

Eine alte Quelle von 1746 berichtet, dass Frau Zellerberg (die Frau des Beiwohners Jürgen Zellerberg) beschuldigt wird, im April Flachs gebrakt zu haben. Das war bei Strafe verboten, weil das künstliche Trocknen von Flachsbündeln über der offenen Feuerstelle eine der häufigsten Brandursachen war (Schriftenreihe, Beuke, Brassel, S. 39).


Und in dieser Stadtgeschichte steht auch, dass es eine Spinnschule für feines Garn 1838-42 in Brakel gab und demnach Spinnräder und Webstühle in einzelnen Häusern vorhanden waren. Die Spinnschule wurde mit staatlichen Zuschüssen errichtet und hatte über 50 Schülerinnen zeitweise, die in Fein-, später in Grobspinnerei ausgebildet wurden. Von einem Spinnlehrer Kralmann ist die Rede und seiner Nachfolgerin Frau Oetter (vgl. Buch 1979, Teil Arbeitswelt, S. 230).

 

Die Hoffnung damals auf die Einführung als eigener Industriezweig erfüllten sich nicht ganz. Es wurden die folgende Anstrengungen wurden aber übernommen (StCronik, auf Seiten 38-41):    
- 1840 wurde ein August Ridder nach Bielefeld gesandt, um die Kunst des Beleichens zu lernen. 
- Bei der Altenburg wird ein Platz  für die Schönbleichrei eingerichtet. 
- Ein besondere Bokemühle wird in Erwägung gezogen zur mechanischen Bearbeitung der Pflanzen. 
- Um 1850, in den schlimmen Jahren der Hungersnot und Verdienstlosigkeit der ärmeren Schichten, wurden Aufträge an die Männer (Straßenbau) und die Frauen (Garnspinnen) vergeben.  

 

Hinter den Annenkapelle war am Röthebach um 1840 eine besondere Röthewiese angelegt worden auf einer Fläche von 2,2 Morgen mit 50 Gruben. In diesen Gruben wurde der harte Pflanzenstängel mürbe gemacht, damit man an die Faser freigelegt werden kann. So steht es im „Ewald, Buch Geschichte von Brakel 1925.  

 

Aus dem groben Leinen wurden Korn- und Kartoffelsäcke hergestellt, aus den feinen Fasern wurde Leinentuch und Bettwäsche. Die Spinnschule und die Verarbeitung in Brakel ist wohl nach 1860 wieder ausgelaufen. Für den Eigenbedarf wurde Flachs weiter angebaut. 

 

In Brakel gab es eine Flachsscheune auf dem Gelände des Kornhauses in der Warburger Straße um 1940. Hier wurde der angebaute Flachs gesammelt zum Weitertransport. Vom Gut Modexer Hof ist bekannt, dass bis um 1950 Flachs angebaut worden ist.

1929, bei 1100-jährigen Stadtjubiläum, erinnerte der Motivwagen "Brakeler Spinnstube", dargestellt vom Jungfrauen-Verein, an diese Episode. Die Vielfalt von Leinen- und Säcken aus Jute, Papier usw. ist im Sackmuseum Nieheim zu bewundern.


Hier einige Bemerkungen zur alten Kulturpflanze Faserlein

Gemeiner Lein GFaserelein und Öllein) gibt es in verschiednene Varietät. Im April ausgesät hat Lein eine langsame Jugendentwicklung. Er blüht erst im Juli/August (nur am Vormittag!) und kann als Öllein etwa 15 bis 30 dt/ha Samen liefern. 

Alles andere als einfach ist Ernte und Verarbeitung von Flachs.  Zur Ernte im September werden die ganzen Pflanzen (mit einer Raufmaschine) aus der Erde gezogen und seitlich abgelegt. So sollen die Holzteile schon etwas mürbe werden. In mehreren Arbeitsschritten wird die Faser vom Gewebe allmählich getrennt. Dabei spielt das Einweichen in Wasser und die Röste (das Verrotten) eine große Rolle. Das Verfahren ist gewässerbelastend. Nach dem Rösten folgen Brechen, Schwingen und Hecheln. Die Schäben, die feinen Holzteile, blieben übrig. 

In den 1990-er Jahren schien es, als hätte Flachs als Naturfaser wieder eine Chance. Aber auch als Dämmstoff konnte er gegen die billigen Kunststoffe und die Importe preislich nicht mithalten. 

Hier ein Beitrag zur Flachsaufbereitung und -verarbeitung am Beispiel Welda (Weldaer Heimatblätter von 1996)